Neulich bei Tee und Mandelkeksen: Meine Bekannte, nennen wir sie Greta (nicht die), zieht mit feierlicher Geste ihre abgelaufene Kreditkarte aus der Tasche. „Weißt du, was ich jetzt mache?“ fragt sie mit dem Tonfall einer Frau, die gleich eine Revolution anzettelt. Ich bin gespannt. Feuertaufe? Kartenritual? Kontaktloses Gebet?
Nein. Sie greift zur Schere und trennt den Chip vom PVC wie ein Chirurg bei der Organentnahme. „Das gehört getrennt entsorgt. Sollte Pflicht werden!“, verkündet sie mit glühenden Augen.
Pflicht? Ich sehe mich schon im neuen EU-Bürgerpflichtenkatalog zwischen „Pfandflaschen abgeben“ und „Büroklammern sortieren“: §47b – Der Mensch hat das Recht und die Pflicht, Mikrochips aus Plastikkarten herauszupfriemeln.
Widerstand ist zwecklos. Wer nicht trennt, wird sanktioniert. Drei Karten nicht ordnungsgemäß geschippt? Zack – Sozialstunden im Altstoffhof. Mit der Pinzette.
Natürlich meine ich das nicht zynisch. Ich liebe Engagement. Aber wie viele Goldmoleküle stecken bitte in einem Chip? Ist das ökologischer Durchbruch oder nur moralisches Mikromanagement?
Während Greta (nicht die) zufrieden ihren Chip in ein Mini-Elektroschrottdöschen wirft, frage ich mich: Wenn wir wirklich an dem Punkt sind, an dem der Mensch die Verantwortung für das Trennen von Dingen im Millimeterbereich übernimmt – ist das dann der Anfang einer neuen Ära? Oder das Ende der Geduld?
Ich jedenfalls bleibe entspannt. Und wenn ich mal richtig umweltbewusst sein will, dann fange ich vielleicht an, meinen SO₂-Ausstoß (ja, richtig - ich meinte nicht: CO₂-Ausstoß) durch weniger Alltagsdramen zu kompensieren.
Ich jedenfalls bleibe entspannt. Und wenn ich mal das Gefühl habe, ich müsste die Welt retten, dann fange ich vielleicht an, meine Energie auf Dinge zu richten, die nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht sind. Irgendwo zwischen gesundem Menschenverstand und gescheiterter Mikroökonomie des Mülls liegt vermutlich der wahre Kern der Vernunft.