Welche Auswirkungen haben nun solche von KI-Tools wie ChatGPT, aber auch anderen Tools generierte Inhalte auf die Darstellung politischer Prozesse und Ereignisse, welche Folgen haben KI-generierte Medieninhalte auf gesellschaftliche Prozesse?

Die Fähigkeit von KI, überzeugende, aber möglicherweise manipulative oder ungenaue oder gar komplett erfundene Darstellungen zu erstellen, droht die mediale Objektivität zu untergraben - soweit es sie in diesen Zeiten überhaupt noch gibt. Unser Verständnis, aber auch unser (Bauch)gefühl für Wahrheit und Fakten wird zunehmend verzerrt - auch in einer demokratischen Gesellschaft.

Aber wie demokratisch ist der mediale Diskurs überhaupt noch, wenn die Inhalte dieses Diskurses nicht mehr auf menschlicher Kompetenz und Kritikfähigkeit basieren?

Vor einer Woche gab es ein einstündiges Telefongespräch zwischen Scholz und Putin, über dessen Inhalte wenig nach außen getragen wurde. Hier könnte KI „helfen“ und so habe ich ChatGPT gebeten, ein fiktives Gespräch zwischen Scholz und Putin zu generieren. Das ganze soll ein Beispiel dafür sein, wie durch KI plausible Szenarien geschaffen werden können, die jedoch nicht mit den tatsächlichen Ereignissen übereinstimmen müssen.

Hier eine mögliches Gespräch - das so jedoch nie stattgefunden hat:

Scholz: Herr Präsident, ich hoffe, wir können heute einen Schritt in Richtung Deeskalation gehen. Der Krieg in der Ukraine bringt uns allen nur Leid und wirtschaftliche Instabilität.

Putin: Herr Bundeskanzler, die Instabilität ist doch größtenteils das Werk des Westens. Ihre Sanktionen schaden Europa mehr als Russland. Ihre Politik ist von den USA diktiert.

Scholz: Das sehe ich anders. Die Sanktionen sind eine Reaktion auf Ihren völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Glauben Sie wirklich, dass Sie durch militärische Mittel Ihr Ziel erreichen können?

Putin: Das Ziel ist, die Sicherheit Russlands zu gewährleisten. Die NATO-Osterweiterung bedroht uns seit Jahrzehnten. Wir mussten handeln.

Scholz: Sicherheit durch Krieg? Wie erklären Sie das den Menschen in der Ukraine, die täglich Bomben und Zerstörung erleben? Es gibt diplomatische Wege, aber Sie müssen auch Kompromisse eingehen.

Putin: Die Ukraine war bereit, ein Spielball des Westens zu werden. Wir haben mehrfach über rote Linien gesprochen, doch niemand hat zugehört. Warum sprechen Sie nicht mit Washington?

Scholz: Sie lenken ab, Herr Präsident. Es geht hier um Ihre Verantwortung. Ohne einen Rückzug Ihrer Truppen wird es keine Entspannung geben. Wie stellen Sie sich vor, dass wir in Europa Frieden schaffen, wenn Sie immer weiter eskalieren?

Putin: Frieden schaffen? Vielleicht sollte Deutschland sich an die Konsequenzen erinnern, wenn es Russland herausfordert. Sie sollten wissen, dass wir nicht zurückweichen werden.

Scholz: Drohungen werden nicht helfen, eine Lösung zu finden. Die Welt erwartet von uns Staatsmännern, dass wir Lösungen suchen und keine weiteren Fronten eröffnen. Können wir uns zumindest auf humanitäre Korridore einigen?

Putin: Humanitäre Korridore? Wenn Ihre Waffenlieferungen aufhören, könnten wir darüber sprechen.

Scholz: Ihre Bedingungen sind inakzeptabel. Sie müssen sich entscheiden, ob Sie ein weiteres Kapitel der Gewalt aufschlagen wollen oder bereit sind, die internationale Ordnung zu respektieren.

Putin: Herr Scholz, wir werden sehen, wie lange Europa diesen Kurs durchhält. Aber Sie können mich gern anrufen, wenn Sie bereit sind, über Realitäten zu sprechen.

Würdest du auf die Idee kommen, dieses Gespräch sei ein Fake, wenn es in irgendeiner etablierten Zeitung, meinetwegen der NZZ, veröffentlicht worden wäre? Nun gut, wenn es bei BILD oder SPIEGEL online erschienen wäre, hätte so mancher schon vorab Zweifel...


Gefährliche Fiktion mit realem Potenzial

Dieses Gespräch ist fiktiv, doch es wirkt glaubhaft, weil es auf real vorhandenen politischen Konfliktlinien basiert. Solche KI-generierten Szenarien könnten leicht als Tatsachen verbreitet werden und so dazu beitragen, politische Narrative zu manipulieren. Die Leser solcher Inhalte könnten kaum Grund zum Bezweifeln der Echtheit der Inhalte haben und die dargestellten Positionen für authentisch halten, da sie vermeintlich typisch für die beteiligten Akteure sind.

Dies zeigt, wie schnell die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen können und es tatsächlich auch tun. Die Verantwortung, solche Darstellungen klar als fiktiv zu kennzeichnen, ist essenziell, um die Glaubwürdigkeit medialer Inhalte zu schützen. Es braucht hinreichende Medienkompetenz und ein gesundes Bauchgefühl um hier die Spreu vom Weizen zu trennen - soweit das überhaupt möglich ist.


Wie wir Fiktion von Realität unterscheiden können

Angesichts der Möglichkeiten von KI, realistische und überzeugende Inhalte zu schaffen, müssen wir als Konsumenten medialer Inhalte ein höheres Maß an Medienkompetenz entwickeln. Nur so können wir eine „gesunde“ Urteilsfähigkeit bewahren und zwischen Fiktion und Realität differenzieren. Hier einige wesentliche Ansätze:


Quellen kritisch hinterfragen

Nicht jede Nachricht, die professionell geschrieben erscheint, stammt aus einer verlässlichen Quelle. Mediennutzer sollten lernen, die Herkunft einer Information zu überprüfen: Wer hat diesen Inhalt erstellt? Ist die Quelle bekannt für ihre journalistische Integrität, oder handelt es sich um einen unbekannten oder verdächtigen Herausgeber?


Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten einfordern

Medienhäuser sollten verpflichtet werden, klar zu kennzeichnen, wenn Inhalte von einer KI erstellt wurden. Doch auch die Medienkonsumenten müssen aktiv nach solchen Hinweisen suchen und hinterfragen, ob Texte möglicherweise automatisiert erstellt wurden. Wie das geregelt werden soll in einer Gesellschaft, in der die Mächtigen (oder sagen wir besser „Entscheider“) von genau solcher KI-generierter Manipulation profitieren, bleibt eine politische Mammutaufgabe. Niemand wird den Teich austrocknen wollen, aus dem er sich ernährt.


Faktenchecks und unabhängige Berichterstattung nutzen

Eigentlich könnten hier sogenannte Faktenchecks eine steuernde bzw. aufklärende Rolle spielen. Aber einschlägig bekannte Faktenchecks haben sich gerade in letzter Zeit durch einen Mangel an Objektivität hervorgetan und werden im Zweifel die Interessen jener Plattformen bedien, von denen sie bezahlt werden. Faktenchecks, die zum Wahrheitsministerium mutieren, werden ihrer Aufgabe nicht gerecht und Teil einer Manipulationsmaschine.

Bevor man ein politisches Szenario jedoch als wahr akzeptiert, sollte man zumindest auf mehrere und v.a. auch unterschiedliche Quellen zurückgreifen, die idealerweise unterschiedliche Perspektiven bieten. Man sollte alle Seiten lesen, hören oder anschauen.


Emotionen bewusst reflektieren

KI-generierte Inhalte, insbesondere im politischen Kontext, zielen häufig auf emotionale Reaktionen ab. Wenn eine Nachricht oder Information starke Wut, Angst oder Euphorie auslöst, sollte dies ein Warnsignal sein, genauer hinzusehen und den Wahrheitsgehalt zu prüfen.


Grundlegendes Verständnis für KI-Technologien entwickeln

Das Wissen um die Funktionsweise von KI ist entscheidend, um ihre Stärken und Schwächen einschätzen zu können. Mediennutzer sollten sich bewusst sein, dass KI kein eigenes Bewusstsein hat, sondern lediglich Informationen verarbeitet, die ihr zugrunde gelegt werden – oft ohne Kontext oder ethische Einordnung. KI ist immer in irgendeiner Weise interessegeleitet.


Medienkompetenz als Schutz vor Manipulation

KI hat das Potenzial, unsere Wahrnehmung der politischen Realität zu verändern und zu manipulieren. Um uns davor zu schützen, müssen wir als Gesellschaft einen kritischen Umgang mit Medien und hier insbesondere mit digitalen Medien fordern. Medienkompetenz bedeutet nicht nur, Informationen zu konsumieren, sondern sie aktiv zu hinterfragen und sie aktiv mit Hilfe umfassenden Wissens, aber auch mit Hilfe eines „gesunden Menschenverstandes einzuordnen und zu bewerten. Nur so können wir sicherstellen, dass wir uns trotz der Verlockung, die uns vordergründig realistische, aber KI-generierte Fiktion (egal, ob in Wort, Ton oder Bild) bietet, eine informierte und unabhängige Meinung bewahren.

Medienkompetenz ist jedenfalls mehr, als nur Tagesschaunachrichten und politische Talkshows im ÖRR zu konsumieren, sie ist aber auch mehr als ein Rückzug auf 100 Telegram-Kanäle oder ein Versinken in der Twitter-Blase.

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Bildquelle: Pexels (Markus Spiske)